Alfred Kornberger und sein künstlerisches umfeld
Kornbergers Schaffen reicht von der Mitte der 1950er Jahre bis zu den späten 1990er Jahren. Diese Periode der Moderne nach 1945 wird im internationalen Kontext von der Dominanz der informellen und abstrakten Malerei, von Pop Art und Konzeptkunst bis hin zu konzeptuell orientierten Arbeiten in den neuen Medien der Fotografie und Videokunst geprägt. Wenngleich Kornberger mit einigen dieser Richtungen experimentierte, etwa mit seinen kinetischen Materialbildern, konzentrierte sich sein Schaffen weitgehend auf die Auseinandersetzung mit der gegenständlichen Darstellung im traditionellen Tafelbild.
Vor allem in den Jahren nach 1945 war das Festhalten an der gegenständlichen Darstellungsweise jedoch keine Selbstverständlichkeit. Die tonangebenden Richtungen in Österreich waren von den großen Strömungen des Informel und des Surrealismus geprägt. Letzterer fand in Wien seine spezifische Ausprägung im Phantastischen Realismus. Zudem waren Abstraktion und Surrealismus mit politischen Konnotationen behaften, sie zeugten von der Identifikation mit der politisch willkommenen »Westkunst«. Realistische Malerei hingegegen war mit dem Odium des Sozialistischen Realismus behaftet, der mit wenig Erfolg von der sowjetischen Besatzungsmacht propagiert wurde. So war es etwa in den 1950er Jahren für Künstler wie Georg Eisler und Alfred Hrdlicka schwer, im offiziellen Kunstbetrieb Anerkennung zu finden. »Die österreichischen Ansätze zu einer realistischen und kritischen Kunst wurden leicht und gern als ›Sozialistischer Realismus‹ verteufelt und Künstler, die sich dem Abstrakten nicht anschlossen, ins Abseits gedrängt.«
Die Diskussion gewann zudem noch dadurch an Brisanz, als sich eine nicht unerhebliche Opposition gegen die Abstraktion auf Seiten der Traditionalisten bildete. Diese pochten auf eine Kontinuität mit der Kunst 1945. Dazu zählten sowohl Vertreter der Generation, die bereits vor 1945 ein bedeutendes Lebenswerk geschaffen hatten, wie etwa der Grazer Rudolf Szyszkowitz, der einen heftigen Kampf gegen die jüngeren Künstler/innen rund um den steirischen herbst ausfocht. Genauso zählten dazu aber auch Vertreter der jungen Generation, die erst nach 1945 das Studium abschlossen, die aber explizit an jüngere Generationen anschlossen, wie etwa der in Wien ansässig gewordene, gebürtige Steirer Karl Stark, der sich ausdrücklich zur Fortsetzung der Malerei des österreichischen Expressionismus bekannte. Die gegenständlich arbeitenden Künstler/innen standen den Abstrakten diametral gegenüber, beide Seiten lieferten sich einen regelrechten Kulturkampf. Symptomatisch sind in diesem Zusammenhang etwa die »Kulturbriefe«, die Karl Stark regelmäßig an die Öffentlichkeit versandte und darin den ethischen Wert traditioneller Malerei verteidigte.
Anregungen und die Suche nach dem persönlichen Stil
Anregungen der internationalen Moderne spielten in diesen frühen Jahren eine wichtige Rolle. Einen großen Impuls lösten zweifellos die ersten Ausstellungen aus, die nach den Kriegsjahren erstmals wieder Werke der westeuropäischen Avantgarde nach Wien brachten. Bahnbrechend waren hier die Aktivitäten des französischen Kulturinstituts, die nicht zuletzt aus politischen Motiven als Siegermacht französische Kultur in das damals besetzte Land bringen wollten. Im österreichischen Museum für angewandte Kunst organisierte das französische Kulturministerium 1947 die Ausstellung »Classiques de la Peinture Francaise modernes«. In dieser Ausstellung war die Entwicklung der französischen Malerei von den Impressionisten über Paul Cézanne bis zum Kubismus und in weiterer Folge bis zum späten Picasso und Léger zu sehen. Aber auch der Surrealismus mit Werken des frühen de Chirico und von Max Ernst oder Salvador Dali war vertreten.
Die Suche nach einem persönlichen Stil, die Hinwendung zu unterschiedlichen, damals hochaktuellen Anregungen durch die Internationale Moderne waren symptomatisch für die junge Generation nach 1945. Kornbergers Stilpluralismus, der von seinen Zeitungskritikern auch als Eklektizismus angeprangert wurde, war Ausdruck einer solchen Orientierung an der französischen Moderne. War diese unstete Suche nach aktuellen Stilen bei Kornberger vor allem für dessen Frühwerk charakteristisch, lässt sich diese Vielfalt an Stilen bei anderen Künstlerpersönlichkeiten über das gesamte Lebenswerk hinweg feststellen. So spricht Romana Schuler im Werk von Karl Anton Fleck etwa von einem »immensen Stilpluralismus«, der eine »scheinbare Orientierungslosigkeit und Instabilität« offenbare. Fleck wandte sich in seinen frühen Jahren zunächst dem Informel und dem Tachismus zu, bevor er sich der Abstraktion mit geometrischen Formen zuwandte. Ab 1960 trat dann eine Wendung zu gegenständlicher Darstellung ein.
Paris, Pack, Picasso und Matisse
Nur wenige der Generation Kornbergers hatten Gelegenheit, in Paris selbst die zeitgenössische KunstFrankreichs kennen zu lernen. Einer dieser Paris-Stipendiaten war Claus Pack (1921-1997). Pack hatte an der Wiener Akademie bei Herbert Boeckl studiert und war 1946 nach Vorarlberg übersiedelt, wo er als Maler und Literatur- und Kunstkritiker lebte. 1949 konnte er im Salon de Mai in Paris ausstellen. Durch die Teilnahme an den Internationalen Hochschulwochen in St. Christoph am Arlberg kam er in Kontakt mit Maurice Besset, dem Leiter des französischen Kulturinstituts in Innsbruck und Initiator der Hochschulwochen. Besset verhalf Pack 1950 zu einem sechsmonatigen Stipendium für Maler in Paris.
Claus Pack war von der Formensprache von Pablo Picasso tief beeindruckt und rezipierte vor allem den kubistischen Stil des großen Meisters. Auch nach seiner Rückkehr aus Paris blieb für Pack die Auseinandersetzung mit dem Kubismusdas beherrschende Thema seines Malstils. Ähnlich wie Kornberger war Claus Pack bis ins Spätwerk hinein von Picasso fasziniert. Laut Pack würde die Kunst Picassos eine Synthese der Raum-Zeitdarstellungen bilden. »Der Gegenstand, das Stillleben oder die Figur erscheinen jenseits von Zeit und Dauer.« Charakteristisch ist in den Augen von Claus Pack auch Picassos Fähigkeit, Formen variabel zu gestalten. Es entstehen Metamorphosen aus symbolhaften Formen. »Ein Fahrradsitz und ein Gouvernal werden zum Stierschädel und der Stierschädel zur Guitarre.« Kornberger verwendet dieselben Motive ab den späten 1960er Jahren in seinem Zyklus »Zeus bedrängt eine Frau« in ähnlicher Wiese, wenn er Zeus in Gestalt eines Fahrrades sich eines Aktes nähern lässt und der Fahrradsitz zum erotischen Objekt mutiert.
Claus Pack hat mit Alfred Kornberger gemeinsam, dass für beide Maler im Spätwerk der Eros das Hauptthema ihrer Kunst wurde. Auch in dieser Hinsicht fanden Pack und Kornberger ihre Legitimation im Werk von Pablo Picasso. Picassos Spätwerk war völlig okkupiert von der Faszination des Mannes von der weiblichen Erotik. Laut Werner Spies wollte kein anderer Künstler auf derart exhibitionistische Weise Tabus abschaffen wie Picasso. Nur noch Egon Schieles Obsessionen seien laut Werner Spies in dieser Hinsicht dem Spanier an die Seite zu stellen. Weiters war für Pack und Kornberger Picassos Spätwerk auch die Rechtfertigung für gegenständliches Malen. Die ästhetische Diskussion der 1960er Jahre, die sich fast ausschließlich mit analytischen Theorien und mit Konzeptkunst beschäftigte, lehnte eine sinnliche, gegenständliche Malerei, wie sie Picasso in seinen späten Werken praktizierte, ab. Eine Malerei, die mit den herkömmlichen Mitteln einer spontanen malerischen Geste und einer sinnlichen Farbgebung weiterhin an der gegenständlichen Illusion festhielt, entsprach nicht dem Mainstream jener Zeit. Umso schwieriger war es für Maler Alfred Kornberger, in einer solchen bilderfeindlichen Atmosphäre am gegenständlichen Tafelbild festzuhalten und einer betont sinnlichen Darstellungsweise Ausdruck zu verleihen.
Vor allem auch im Zeichenstil orientierte sich Alfred Kornberger häufig an Picassos schwungvoller, nicht endend wollender Linie oder am kürzelhaften, knappen Zeichenstil des späten Henri Matisse. So wie die beiden französischen Altmeister neigt auch Kornberger zu einer biomorphen Verbreiterung des Körpers. »Die Kurvilinearität des Umrisses setzt sich im Echoraum der Zeichnung fort.« Die harmonische Entspanntheit der Frauendarstellung, ihre schönlinige Ästhetik und geradezu dekorative Grazilität aus der Hand von Picasso und von Matisse wirken auch im Werk von Alfred Kornberger fort. Sie verweisen dabei auf den Charakter der Klassizität, der bei aller Neuerung in der französischen Avantgarde stets weiterhin virulent geblieben ist.
Pop-Art, Konzeptkunst und Maschinen
Erst gegen Ende der 1960er Jahre weichten sich die Fronten zwischen gegenständlicher und abstrakter Kunst auf. Durch die Pop Art und die neuen Medien wurde Gegenständlichkeit wieder ein Thema für die Avantgarde, wenn auch in neuer, verwandelter Form. Dabei trat die Malerei immer stärker in den Hintergrund. Die Konzeptkunst war der vorherrschende Trend. Auch Kornbergers Materialbilder, wie »Komposition mit Puppen«, die er 1966 schuf, können als origineller Beitrag zur Fluxus-Bewegung angesehen werden und erinnern an die Arbeiten von Daniel Spoerri oder an den Österreicher André Verlon. Seine »Quadri mobile«, die gleichfalls 1966 entstanden, erinnern in ihrer Konzeption als »Do-it-yourself-Plastiken« an die zeitgleichen Styroporwürfel, die Roland Goeschl in weitaus größeren Dimensionen für die Besucher seiner Ausstellungen zur eigenen Verwendung zur Verfügung stellte. Schließlich schuf Kornberger mit seiner Arbeit »Komposition mit prästabilisierter Harmonie« 1968 ein Materialbild, bei welchem Holzteile und andere Materialien beweglich miteinander verbunden waren und durch Motorantrieb in Bewegung gesetzt werden konnten. Die Arbeit reiht sich in die kinetischen Arbeiten ein, wie sie zu dieser Zeit in Österreich etwa von Curt Stenvert ausgeführt wurden. Weiters setzte sich Kornberger in seinem Zyklus mit gemalten Maschinenbildern, an dem der Künstler zwischen 1966 und 1968 arbeitete, gleichfalls mit den technoiden Effekten von Maschinenteilen sowie geometrisch abstrakten Formen auseinander.
Neben Alfred Kornberger beschäftigte sich in jenen Jahren auch Karl Anton Fleck mit der Thematik der Maschine. Mehr als Kornberger rückte Fleck dabei die Dialektik von Mensch und Maschine ins Zentrum seiner Arbeiten. Höchst aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die theoretische Untermauerung, die Romana Schuler in ihrem Aufsatz über Karl Anton Fleck untersucht hat und die in gewisser Weise auch für Kornberger Anwendung findet. Bahnbrechend für das neue Bewusstsein, dass das moderne Leben weitgehend von den neuen Informationsmedien bestimmt seien, war die 1964 erschienene Schrift »Die magischen Kanäle« des Medienphilosophen Marschall McLuhan. Darin entwirft McLuhan eine Theorie des gesellschaftlichen Wandels durch die neuen Informationsmedien, wobei der Theoretiker die These aufstellt, dass die Medien eine Art Prothese ausüben würden, derer sich der Mensch für das neue Verständnis der Welt bedienen würde. Ein zentrales Thema von McLuhan stellte in diesem Zusammenhang die enge Beziehung zwischen Mensch und Maschine dar.
Ähnlich habe das 1965 erschienene Werk »Kultur und Gesellschaft« von Herbert Marcuse große gesellschaftliche Resonanz ausgeübt. In diesem Werk spielt ebenfalls das Verhältnis Mensch und Maschine eine zentrale Rolle, wobei der Philosoph die Technik von einem äußerst kritischen Standpunkt betrachtet. Marcuse lehnt eine sich abzeichnende, apparative, technische Zukunft der Welt ab. Die provokanten Thesen des kanadischen Kommunikationswissenschaftlers McLuhan wurden in der Folge auch von den deutschsprachigen Medientheoretikern und Kulturwissenschaftlern intensiv rezipiert, vor allem, als 1969 die deutschsprachige Ausgabe von »Magische Kanäle« erschienen war. Wenig überraschend war es hier vor allem der Medienkünstler Peter Weibel, der sich als erster in Österreich mit McLuhan offensiv und auch kritisch auseinander setzte. Weiters beschäftigten sich auch Oswald Wiener und Walter Pichler mit dieser Thematik. Walter Pichler begriff den Menschen als eingespannt in die Zwänge von Architektur und Maschine. Der Mensch wird Teil eines Apparates, dessen Systeme eine bedrohliche Macht ausüben.
Karl Anton Fleck betrachtet wiederum den menschlichen Körper als Maschine, die mühelos zerlegt oder umgeformt werden kann. Das Resultat sind Mischformen von hybriden Verformungen des menschlichen Körpers. »Der menschliche Körper oder nur einzelne Körperteile wie Kopf, Hände, Füße werden als biologische Fragmente mit Maschinen vereint.« Undefinierbare bizarre und groteske Geschöpfe werden zu »anthropologischen Maschinen«. Der anthropologische Charakter von Maschinen oder umgekehrt die maschinenhafte Entstellung des menschlichen Körpers spielt auch im Werk von Alfred Kornberger eine zentrale Rolle. Anders als sein Kollege Karl Anton Fleck enthält sich Kornberger allerdings weitgehend Entfremdungseffekten, die die formale Integrität des Bildes sprengen. Im so genannten »Zeus«-Zyklus mit dem sich Kornberger seit 1977 beschäftigt, entwickelt sich das Fahrrad zu einem maschinenähnlichen Wesen. Der technoide Eindruck, der durch die Multiplizierung der Räder und des Gestänges erzielt wird, steigert den anthropomorphen Charakter des Fahrzeugs und wird gleichsam zum bedrohlichen Apparat gegenüber der weichen Leibesfülle der weiblichen Aktfiguren.
Ringel, Eisler, Hrdlicka, Martinz, Schwaiger
Das enge Verhältnis von Mensch und Maschine war aber nicht das einzige Thema, das die Künstler in jenen Jahren intensiv beschäftigte. In den späten 1960er Jahren fanden in Wien in kurzen Abständen zwei Ausstellungen statt, in denen jeweils fast ausschließlich gegenständliche Darstellungsweisen favorisiert wurden. Diese überraschende wie eindeutige Positionierung erschien symptomatisch für einen Umdenkprozess, der sich in diesen Jahren anbahnte.
Zum einen handelte es sich um die Ausstellung »Wirklichkeiten«, die 1969 in der Wiener Secession stattfand und zu welcher der Kunstkritiker und Publizist Otto Breicha sechs junge Künstler einlud. Ihre Werke zeigten zwar unterschiedliche künstlerische Positionen, fanden sich aber insgesamt in der Nähe einer ironisch-kritischen Haltung zur gerade aktuellen Pop Art. Zwei der damaligen Protagonisten dieser Ausstellung, Peter Pongratz und Franz Ringel, wiesen dabei eine große Nähe zur Art Brut und zur Gruppe COBRA auf. Werke aus diesem Umfeld verzerren die Darstellung des Menschen ins Groteske, Frauenakte werden zu derben, großbusigen Weibsgestalten, deren Gesichter entstellt erscheinen. Der Holländer Willem de Kooning, einer der Vertreter der Gruppe COBRA, zeigt Motive von übervollen Frauenbildern, die er mit Hilfe einer rasenden Pinselschrift auf die Leinwand gleichsam hinfetzt. Auch Kornberger kommt in vielen seiner malerisch sehr fein gestalteten Aktdarstellungen in die Nähe dieser Künstler und kennt solche dramatischen, geradezu ekstatischen Szenen, die einem auf Unmittelbarkeit ausgerichteten Gestaltungswillen entsprechen.
1969 organisierte die Zentralsparkasse der Stadt Wien unter ihrem damaligen Kulturreferenten Dieter Schrage eine Ausstellung unter dem Namen »Figur«. Der Stuttgarter Kunstkritiker Karl Diemer versammelte die fünf Wiener Künstler Georg Eisler, Alfred Hrdlicka, Fritz Martinz, Rudolf Schönwald und Rudolf Schwaiger, die sich alle explizit zu einem für damalige Verhältnisse ungewöhnlichen Realismus bekannten. In einem weiteren Sinne wäre auch Karl Stark zu dieser Gruppe zu zählen.
Die Form des Realismus barg vor allem in den Werken der miteinander befreundeten Künstler Georg Eisler und Alfred Hrdlicka eine gesellschaftskritische Komponente. Eisler, der 1938 zur Flucht aus Wien nach England gezwungen worden war und dort Bekanntschaft mit Oskar Kokoschka machte, malte vorwiegend Bilder zum Thema »Menschen in der Großstadt«. Das Phänomen der anonymen Menschenmasse findet sich immer wieder in seinen vielfigurigen Darstellungen und topografischen Städteansichten. Georg Eisler pflegte einen naturalistischen Stil, der mit flüchtig wirkender, gestischer Pinselschrift eine besondere Lichtstimmung und Atmosphäre erzeugt. Große Ähnlichkeit weisen Eislers atmosphärische Atelieransichten mit manchen Atelierszenen von Kornberger auf. Ähnlich wie Georg Eisler seine Protagonisten gerne in der Anonymität belässt, beschreibt auch Kornberger nicht näher seine Frauengestalten, sondern deutet sie oft nur schemenhaft an.
Die Gestalten von Alfred Hrdlicka vereinen in sich stets große Gewaltbereitschaft. Hrdlicka hat ein proletarisches Weltbild entworfen, in welchem der Mensch in seiner hinfälligen Kreatürlichkeit einer eigenen Ästhetik unterworfen wird, die dem herkömmlichen Geschmack völlig entgegengesetzt ist. Alternde, übergewichtige Figurentypen bevölkern zumeist seine Zeichnungen. Stets sind sie aber Protagonisten von zumeist grausamen Historien- und Genrebildern mit gesellschaftskritischer Komponente. Unterschwellig wirkt diese Gewalt in der rohen, brutalen Form auch in vielen Werken Kornbergers mit. Doch bewegen sich Kornbergers manchmal gleichfalls derbe Aktfiguren stets im Kontext des ästhetischen Diskurses einer Atleierszene und nicht, wie bei Hrdlicka, im Rahmen einer theatralischen Erzählung.
Adolf Frohner und Oswald Oberhuber
Das Thema des mit Gewalt konfrontierten Menschen wird auch vom Östrreicher Adolf Frohner verfolgt. Vergleichbar mit Alfred Kornberger konzentriert sich der um nur ein Jahr jüngere Adolf Frohner vor allem auf die Darstellungen des weiblichen Aktes. Frohner kommt aus der Schule des Aktionismus, zu deren Mitbegründern er zu rechnen ist. Mit den Materialbildern aus der aktionistischen Periode hat Adolf Frohner gemeinsam mit den Materialskulpturen von Oswald Oberhuber als einer der ersten die Grenzen des Tafelbildes gesprengt. In der Folge wandte er sich wider einer traditionellen, realistischen Malerei zu und rückte gleichfalls in die Nähe der Gruppe »Figur«.
Frohners Aktdarstellungen kreisen allerdings nicht, wie etwa bei Kornberger, um eine beständige Variation der weiblichen Ästhetik, sondern legen im Gegenteil ihre Verwundbarkeit bloß. Frohners Figurenbild führt zur Entstellung des Menschen, seine Darstellungsweise ist roh und oft brutal. Nicht selten führt die Isolierung von einzelnen Körperteilen zu einer oft erschütternden Drastik und Rohheit der Mitteilung. Angesichts dieser expressiven Körpersprache ist fürLóránd Hegyi Frohners Menschenbild Ausdruck eines »existentialistischen Realismus«, der »den menschlichen Körper als Sinnbild, als lebende, leidende, sich ständig dramatisch verändernde Metapher interpretiert und emotional erlebbar werden lässt.« Hegyi stellt Frohners expressiv-realistische Formgestaltung in eine direkte Linie, die mit den Schlachthausbildern von Rembrandt beginnt und sich über Chaim Soutine und Lovis Corinth bis James Ensor und Francis Bacon erstreckt. Auch bei Alfred Kornberger spielt der verletzte Akt eine zentrale Rolle. In sublimierter Weise reflektieren viele seiner Aktszenen die fleischliche Atmosphäre von Schlachthausbildern. In einigen Fällen widmet sich Kornberger ausdrücklich dem Thema Viehschlachtung.
Zum Unterschied zu Frohner geht es Kornberger im weiblichen Akt aber nicht um das blutende, leidende Fleisch. Kornberger erhebt in seinen Aktdarstellungen vielmehr den Anspruch auf die ästhetische Integrität. Kornberger will bei noch so großer Verfremdung und Entstellung der Person nie kunstlos und brutal wirken. Bei noch so großer formaler Verfremdung möchte Kornberger ein Mindestmaß an malerischer Ästhetik vermitteln, die indirekt auch Ausdruck der Attraktivität des weiblichen Körpers ist.
Künstlerische Parallelen finden sich zwischen Adolf Frohner und Alfred Kornberger vor allem auch in den zeichnerischen Darstellungen. Kornbergers Zyklus »Moulin Rouge« aus den 1980er Jahren besteht aus einer Serie von kleinformatigen Blättern, die wie Filmkader Szene an Szene aneinander reihen. Sie wie auch Adolf Frohner weist auch Kornberger in diesen Serien Tendenzen auf, den weiblichen Körper in auffallenden Torsionen und Verrenkungen darzustellen. Über Adolf Frohners Zeichnungen bemerkt Wieland Schmied, dass dieser besonders in der Graphik eine Neigung entwickle, die menschliche Gestalt als gefesselte Kreatur, als vergewaltigtes, entstelltes Opfer von Gewalt darzustellen. Vor allem sei es der Zeichenakt, die Linienführung selbst, welche die Figuren einer grausamen Manipulation unterwerfe. »Die Linie trieb ein grausames Spiel mit den Figuren, schnürte sie ein, hängte sie auf, schnitt sie in Stücke.« Weiters weist Wieland Schmied in diesem Zusammenhang auf den antivoyeuristischen Charakter von Frohners Aktdarstellungen hin. Frohners Figuren würden »einem konvulsivischen Schönheitsbegriff gehorchen. Sie verbinden ein äußerstes Maß an Deformation mit einem intensiven Lebenswillen«.
Anders als bei Frohner bleibt bei Kornbergers Akten jedoch die voyeuristische Lust des Malers spürbar. Kornbergers Frauengestalten werden nie zum Symbol für die kreatürliche Qual, sondern bewahren stets ihre Integrität und sinnliche Attraktivität. Kornbergers künstlerischer Ansatz, der weniger den narrativen Aspekt als vielmehr den autonomen malerischen Ausdruck akzentuiert, erscheint auch dem englischen Maler Francis Bacon verwandt. Bacon zeigt den Menschen als gequälte Kreatur, als offene Wunde. Er bevorzugt fast ausschließlich den männlichen Akt. Der englische Maler präsentiert seine oft irritierenden, verstümmelt wirkenden Aktfiguren in einer malerisch ausgesprochen gediegenen Weise, die mit dynamischer Geste eine große Plastizität und Lichtfülle aufweist. Gerade in diesen betont malerischen, gestischen Körperdarstellungen finden sich Parallelen zu den Aktdarstellungen Kornbergers. Bacons expressive, gegenständliche Malweise besitzt ihre Entsprechung in Kornbergers flüssiger Maltechnik. Die ocker- und rosafarbenen Fleischtöne, der leere Hintergrund, der regelmäßig in den Bildern des Engländers auftaucht, findet sich sehr häufig auch in den Bildern Kornbergers wieder.
Francis Bacon, Alfred Klinkan und die neuen „Wilden“
Francis Bacons »melancholischer Realismus« steht zudem seinen Freunden der London School of figurative Painting nahe. Aus dieser Gruppe ragt neben Ronald B. Kitaj, Frank Auerbach und Leon Kossoff besonders Lucian Freud heraus. Sie alle widmen sich der Menschendarstellung, vornehmlich der Aktdarstellung, wofür die Londoner Slade School, in der alle Vertreter gelernt hatten, berühmt war. Wieland Schmied stellt fest, dass Eisler »etwas vom Impetus dieser Gruppe nach Wien gepflanzt hat.« Zwar traten die englischen Künstler in Wien nie unmittlbar in Erscheinung, doch erhielt ihr Stil bald internationale Reputation. Angesichts einer Überdominanz von nichtgegenständlichen Trends der internationalen Avantgarde leistete diese Gruppe gerade für figurativ arbeitenden Künstler/innen wie Kornberger einen nicht zu unterschätzenden Beitrag für die Legitimation ihrer eigenen Arbeit.
Ende der 1970er Jahre war in Österreich eine neue Künstlergeneration im Entstehen begriffen, die sich nach Pop Art, Konzeptkunst und Minimal Art wieder verstärkt auf gestische Malweise konzentrierte. Typisch für diese durchwegs jungen Künstler/innen war die Besinnung auf Vorbilder der Kunstgeschichte, allerdings im Zusammenhang mit einem sehr freien und unbefangenen Umgang mit Tradition und traditioneller Malerei. Der Kunsthistoriker und Direktor der Neuen Galerie am Landesmuseum Joanneum in Graz, Wilfried Skreiner, war entscheidender Mentor dieser neuen Generation, und nicht zufällig bildete Graz eine der Keimzellen für diese neue Stilrichtung. Herausragend sind etwa die Grazer Künstler Hubert Schmalix und Siegfried Anzinger, weiters Alfred Klinkan, Alois Mosbacher, Hubert Scheibl, Herbert Brandl und in einem weiteren Sinn auch Jürgen Messensee. Diese Gruppe, die in den 1980er Jahren besonders stark war, fand in Deutschland in der Richtung des Neoexpressionismus sowie in Italien in der »transavanguardia« ihre Parallelen.
Formal weist hier das Werk des früh verstorbenen Malers Alfred Klinkan große Gemeinsamkeiten mit dem Werk von Alfred Kornberger auf. Klinkans Werk ist geprägt von einer »mit kunstgeschichtlichen Referenzen und Zitaten arbeitenden reflektierenden Narrativität«. Vor allem verweisen seine Bilder auf Motive aus der Barockmalerei. Die Gestalten weisen eine übertriebene Gestik auf, wodurch sie im Verein mit einer expressiven Farbgestaltung oft eine groteske Situation erzeugen. Diese bewusste motivische Divergenz und bizarre Deformierung findet sich auch in zahlreichen Bildern von Alfred Kornberger. Die Übernahme expressiver Gestik und Farbenpracht zählt genauso wie die formale Übertreibung zum künstlerischen Repertoire von Kornberger. Besonders bei den weiblichen Akten wird die Diskrepanz zwischen ästhetischer Harmonie und künstlerischer Verfremdung besonders weit vorangetrieben, die von Betrachter/innen nicht selten als befremdlich empfunden wird.
Die malerische Kühnheit und Ausdruckskraft, die an Hand der weiblichen Aktfigur stets neu variiert und durchexerziert wird, verbindet Kornberger auch mit Vertretern des deutschen Neoexpressionismus. Diese in den 1980er Jahren »eruptiv auftretende expressionistische Kunst« schließt zwar an die Tradition der Klassischen Moderne an, präsentiert sich aber frecher und gewagter als diese in der unorthodoxen Wahl der Motive und ihrer aggressiven, zuweilen provokanten Farbigkeit. So verweist das Werk von Georg Baselitz in manchen Facetten auch auf die Bilder von Alfred Kornberger. Vor allem die mächtige, schwungvolle Konturlinie und der dynamische, gestische Farbauftrag des Deutschen erinnern an Kornbergers malerisch gestaltete Werke. Der Maler Helmut Middendorf wiederum konzentreiert sich in seinem Werk häufig auf die nackte Frau aus dem Blickwinkel des Mannes, ein Thema, das auch Alfred Kornberger permanent aufgreift und abwandelt.
Der Akt als Innovation
Die Kunst in Österreich im 20. Jahrhundert kennt eine Reihe prominenter Künstler/innen, die eine besondere Vorliebe für das weibliche Aktmodell hegten. Hier ragt vor allem Gustav Klimt heraus, der einer weiblichen Ästhetik huldigte, die den Frauentypus des Fin de Siècle entscheidend prägte. Mit raschen Bleistiftkonturen hat Klimt seine Aktmodelle auf tausenden von Blättern festgehalten. Ähnlich wie Kornberger hat Klimt häufig vor demselben Modell in rascher Folge gleich mehrere Versionen aus unterschiedlichem Blickwinkel geschaffen. Stets bleibt Klimt an der Ästhetik der weiblichen Schönheit haften, kaum dringt sein Blick in die psychologische Ebene seiner Modelle.
Anders hingegen fasst der junge Egon Schiele die Arbeit mit Modellen auf. Nicht selten werden individuelle Züge seiner Modelle zum Anlass genommen, um Gesichtsausdruck und Gestik expressiv zu übersteigern. Der formale Anspruch von Schieles Aktdarstellungen in Bleidtift, Gouache oder Aquarell geht weit über Klimt hinaus. Schiele macht bereits mit der Art, wie er Modelle ins Bild setzt, wie er ihr Verhältnis gegenüber dem Leerraum definiert, sie zuweilen abschneidet und fragmentiert, eine wesentliche Aussage über die Befindlichkeit der dargestellten Personen. Expressive Gestiken und eigenwillige Körperverrenkungen tragen weiters dazu bei, dass der Betrachter angesichts einer solchen eigenwilligen Sichtweise des Künstlers nicht selten überrascht und ratlos reagiert. Auch Alfred Kornberger überrascht den Betrachter immer wieder mit höchst ungewöhnlichen Fokussierungen auf bestimmte Körperpartien oder Ausdruckspotentiale seiner Modelle.
Sowohl bei Klimt als auch bei Schiele kann man von einer Obsession des Künstlers gegenüber dem weiblichen Akt sprechen. Die österreichische Kunst kennt aber auch den Fall, dass ein männlicher Künstler eine Obsession gegenüber dem männlichen Akt empfindet. Von Anton Kolig, einem Generationsgenossen Schieles, sind an die dreitausend Zeichnungen bekannt, die er dem männlichen Akt gewidmet hat. Charakteristisch für Kolig ist die über Jahrzehnte hinweg gleich bleibende Motivwahl. Stets zeigt Kolig junge attraktive Männer, die in völlig entspannter, passiver Lage auf einem Bett oder Sofa liegen und sich keinerlei Aktivitäten hingeben. Gegenüber den Aktdarstellungen Klimts, Schieles und auch Kornbergers überrascht bei Kolig die Präzision der Zeichnung. So findet sich in seinen Blättern keine sinnliche Ästhetik oder expressive Übersteigerung, sondern es herrscht ein strenger Naturalismus, der die Männerkörper in einer kontrollierten, fast sterilen Linearität festhält.
Aktdarstellungen gehören zum fixen Repertoire vieler Künstler der frühen Moderne in Österreich. So hat Herbert Boeckl den Hauptteil seines malerischen und zeichnerischen Œuvres gleichfalls dem weiblichen Akt gewidmet. Boeckls Werk, das sich von der Zwischenkriegszeit bis in die frühen 1960er Jahre erstreckt, zeigt den Akt in einer großen stilistischen Bandbreite, die sich zunächst in einer gestisch-expressiven, später in einer figurativen Flächenmalerei weit von jeglicher akademischen Ästhetik entfernt. Andere Maler wiederum betonen auch noch im fortgeschrittenen Jahrhundert die am akademischen Ideal geschulte Schönheit der Weiblichkeit, wie etwa der oberösterreichische Maler Anton Lutz, der noch in hohem Alter bis weit in die 1980er Jahre hinein dem Akt in einem impressionistischen Naturalismus huldigt.
Kornbergers Beitrag zur österreichischen Malerei des zwanzigsten Jahrhunderts liegt zum einen in der Ausschließlichkeit, die er dem Motiv des weiblichen Aktes in seinem Œuvre einräumt. Es gibt kaum einen vergleichbaren Fall, wo ein Künstler sich dermaßen in sein Atelier zurückgezogen hat, kaum gereist ist, sich wenig um den übrigen Galerien- und Ausstellungsbetrieb gekümmert hat, nur aus dem einen Grund, um möglichst jede freie Minute für die Arbeit mit Aktmodellen verwenden zu können. Den Wunsch nach Gesellschaft erfüllte sich Kornberger am liebsten dadurch, indem er möglichst viele Aktmodelle in sein Atelier einlud. Kornberger huldigt in seinem Werk einem Frauenideal, das nicht der trivialen Ästhetik einer vordergründigen Erotik genügt. Seine Bilder bieten reiches Material für einen vielfältigen Diskurs zwischen stilistischer Variation und reiner Malerei.
Zum anderen reflektieren Kornbergers Werke in dichter Abfolge die stilistischen Entwicklungen der rund fünf Jahrzehnte von 1956 bis 1996. Von der Rezeption Picassos über die glatte Ästhetik der Pop Art bis zur gestischen, farbintensiven Neofigurativität der 1980er Jahre reicht die stilistische Klaviatur, auf der Kornberger meisterhaft zu spielen versteht. Zudem zählt Alfred Kornberger zu den größten Koloristen in der Malerei des ausgehendenzwanzigsten Jahrhunderts. Noch vor der Form ist Farbe für Kornberger der wichtigste Aussagefaktor in seinen Bildern. In einem atemberaubenden malerischen Schwung und Gestus schafft Alfred Kornberger in jedem Bild neu die Einheit von formaler Durchdringung und farbiger Gestaltung. Selten hat ein Künstler so radikal und ausschließlich einer reinen Malerei gehuldigt wie Alfred Kornberger.
Text aus Monografie „Der Akt als Innovation“ von Franz Smola (Brandstätter Verlag, Wien 2007)